Bundeswehr, ISAF, Operation Enduring Freedom

Beim Schauen der Tagesschau von gestern Abend, musste ich feststellen, dass es wohl sehr große Unterschiede im dortigen Friedensprozess geben muss. Warum auch sonst wehrt sich Verteidigungsminister Jung und Außenminister Steinmeier, deutsche Soldaten in den Süden Afghanistans zu schicken? Zum anderen habe ich mir mal die Frage gestellt, was nützt es? Was nützt es uns, was nützt es den Afghanen? Und zum Dritten war ich über die Ausführungweise der „Operation Enduring Freedom“(OEF) ein wenig erstaunt. Doch der der Reihe nach.

(Sicherheits)-Unterschiede in Afghanistan

Leider habe ich keine ausführliche Darstellung über die Gesamtmission der ISAF auf den Seiten der Bundesregierung gefunden. Über das Stichwort Sicherheitspolitik erfährt man weiteres. Dort findet man eine informative Übersichtskarte von deutschen Beteiligungen an Friedensmissionen. Folgt man dem dort angegebenen Link, landet man in einer informellen Sackgasse (eine Meldung vom 1.6.2006 die besagt, das die BRD die ISAF-Leitung übernimmt). Sucht man hingegen auf www.bundesregierung.de nach ISAF finden, sich weitere Meldungen. Selbst auf der Übersichtsseite der Auslandseinsätze verweist die Bundesregierung auf veraltete bzw. nicht funktionierende Webseiten. Allen in allem kann ich keinen Willen der Bundesregierung feststellen, ihre Bürger umfassend auf ihrer Webseite zu informieren. Auf der Seite der Bundeswehr finden sich ebenso nur unzureichende Informationen.

Unzufrieden über den offiziellen Informationsweg, habe ich dann andere Quellen mittels üblicher Suchtechniken gefunden. So führt die Indexseite der Nato direkt auf die ISAF-Webseite weiter. Dort wird man sogar durch eine Karte begrüsst. Karten sind immer gut, geben sie doch einen guten Überblick über die Lage vor Ort. Ein genauerer Blick lässt erkennen, dass die ISAF erst im Oktober dieses Jahres das gesamte Land unter ihre Kontrolle gebracht hat. Wer war dort vorher? Wie die ISAF sich dort etabliert hat, kann man sehr anschaulich durchlesen und auch verstehen. Von Kabul aus hat sich die ISAF weiter über den Norden, Westen, Süden und Osten weiterentwickelt. Wenn ich den Rest der Lage richtig verstanden habe, dann hat die Operation Enduring Freedom (engl. umfangreicher) die Zeitspanne zwischen dem letzten Afghanistan-Krieg und der ISAF überbrückt.

Aus den ganzen Fakten ergibt sich plötzlich ein anderes Bild in meinem Kopf. Blauhelme (benötigen UN-Mandat) gibt es erst seit gut 2 Monaten in ganz Afghanistan. Davor waren es „lediglich“ Soldaten von der „Achse des Guten“. Die Operation Enduring Freedom hat nämlich kein UN-Mandat, sondern lediglich eine UN-Resolution. Da erst im Zusammenhang mit der ISAF wirkliche Aufbaufortschritte gemacht werden, ist auch klar, warum es im Norden Afghanistans auch wesentlich ruhiger ist. Dort ist die ISAF seit gut 2 Jahren und das Land entwickelt sich. Schulen, Wasserversorgung und andere Infrastruktur wird wieder aufgebaut. Das Volk profitiert also von den fremden Soldaten im Land. In den restlichen Landesteilen (besonders im Süden) hat diese positive Entwicklung scheinbar noch gar nicht so richtig begonnen. Oder ich habe es einfach nicht mitbekommen. Die Aufgabe der OEF war es ja, die Taliban zu stürzen und die Lage unter Kontrolle zu halten. Zumindest habe ich im Zusammenhang mit Afghanistan keine weiteren Informationen gefunden.

Somit hat sich besonders der Süden seit den Parlamentswahlen wohl nicht sonderlich gut entwickelt. Die Sicherheitslage lässt zu wünschen übrig und nun sollen die Erfolge des Nordens auch im Süden realisiert werden. Dass da die Deutschen helfen sollen, die sich im Norden „ja nur ausruhen“, scheint ja natürlich. Jedoch glaube ich, dass das unser Bild von Afghanistan etwas verzerrt ist. Im Norden wird es wohl „gerade so so gehen“, d.h. es eine minimale Absicherung der Ordnung geben. Im Süden wird es wohl „heißer sein“, d.h. die Lage dort ist nicht zu kontrollieren. Damit gibt es dort mehr Tote und die sollen nun unter den ISAF-Ländern gleichmäßiger aufgeteilt werden. Das möchte die Bundesregierung nicht, da sie die Lage im Norden als schwierig genug für die Bundeswehr einschätzt. Zumindest scheinen mir diese Zusammenhänge relativ plausibel.

Qui bono?

Was ist passiert in Afghanistan? Was hat die OEF erreicht? Dazu muss man wieder über Suchmaschinen die Webseiten Bundesministeriums für wirt. Zusammenarbeit und Entwicklung bemühen. Dort findet sich dann ein recht aktuelles pdf-Dokument zur Lage in Afghanistan. Daraus möchte ich zitieren:

Die Wahrnehmung der US Präsenz ist problematisch, da eine wachsende Zahl von Afghanen die US Präsenz mehr als Besatzung denn als Befreiung wahrnimmt. Die historische, generelle Aversion der Afghanen gegen fremde Truppen wurde durch die spezifischen US-Faktoren dramatisch verstärkt: Opfer unter der Zivilbevölkerung durch OEF-Bombardierungen, Folter in US Gefängnissen, kulturunsensibles Verhalten von US-Truppen und das rücksichtslose Verkehrsverhalten amerikanischer Konvois in Kabul tragen hierzu bei. Es mehren sich die Anzeichen, dass die Wahrnehmung fremder Truppen als „Besatzer“ sich auch auf die ISAF-Truppen übertragen kann.

Ich empfehle wirklich die 11 Seiten zu lesen, da dort auch Positives berichtet wird. Schulen, Transportwege und Wasserversorgung wurden aufgebaut. Jedoch scheint sich dieser Bericht nur auf das Einzugsgebiet der Bundeswehr zu beziehen (Norden, Stage 1), da der Bericht den Eindruck erweckt, dass im Rest des Landes eher die alten Zustände herrschen. Die Schlafmohnproduktion brummt und einen Rechtsstaat scheint es ausserhalb von Kabul nicht zu geben. Kurzum scheint die Lage des gesamten Landes eher düster als positiv. Das ist ja auch kein Wunder, lassen doch 25 Jahre Krieg und karge Berg- und Wüstenlandschaft doch keine Voraussetzungen erahnen. Es wird wohl einen wirklich langen Atem benötigen, bis dort so etwas wie eine funktionierende Zivilgesellschaft unseres Verständnisses existieren wird. Ich schätze mal ganz grob, dass es 2-3 Generationen dauert, bis dort echte Fortschritte zu erkennen sind, falls sich die Afghanen nicht etwas anderem zuwenden. Schliesslich gibt es dort ja auch eine alte Kultur und eine eigene Geschichte.

Die OEF

Über die OEF kann man wiederum auf offiziellen Webseiten wenig neues erfahren. So ist nun klar, dass ca. 100 KSK-Soldaten in Afghanistan operierten (OEF-A) und die deutsche Marine am Horn von Afrika in einer Submission(OEF-HA?) ihren Einsatz leistet. Laut den Meldungen kontrolliert die Marine dort Schiffe, um internationalen Terrorismus auf dem Seewege zu unterbinden. So weit so gut, jedoch gibt es min. zwei Punkte bei denen es klingeln sollte.

1) Die Strasse von Aden und der Suezkanal sind ein Nadelöhr, deren Passage eine relativ hohes Risiko für Terroristen darstellen sollte. Die werden mit Sicherheit andere Wege bevorzugen, deren es ja genug gibt. Europa und der übrige Westen sind ja nicht nur dort mit dem Nahen Osten verbunden. Ich weise da mal ganz unverbindlich auf die Region Syrien, Nordirak, Iran und Türkei hin. Auf den Webseiten der Bundeswehr und der Bundesregierung findet sich kein Wort über die Erfolge dort im Golf von Aden. Da gerät die Bergung Schiffbrüchiger zur Sensation.

2) Zusätzlich eskortierten dort deutsche Schiffe britische und amerikanische, damit sich diese dann im Irakkrieg beteiligten. Und dabei bemühte sich Kanzler Schröder doch so offiziell, die BRD aus dem Krieg heraus zu halten. Jetzt könnte man natürlich irgendwelche Definitionen und Rechtsbräuche zur Hilfe nehmen, die eine Eskorte in fremden Gewässern nicht als Kriegseinsatz deuten. Glaubhaft ist dies aber nicht.

Ich persönlich sehe dort keinen echten Erfolg. Vielleicht ist es aber wichtiger, den Antiterrorkrieg nach aussen zu verkaufen, um nach innen die Sicherung der Öltransportwege sicher zu stellen. Denn es wäre doch schlimm, wenn des Deutschen Auto keinen Sprit mehr aus dem nahen Osten bekäme.

Fazit

Ich hoffe, ich konnte dem Leser die Lage etwas detaillierterer vermitteln, als das dies die Medien manchmal machen. Besonders die Informationen in der Art über Afghanistan waren mir neu. Ausserdem will ich auf Informationsdefizite seitens der Bundesregierung hinweisen, die in mir eher Zweifel als Vertrauen in unsere Bundesregierung hervorrufen. Ebenso möchte auf den immer noch andauernden Einsatz der Bundeswehr in Bosnien, Herzegowina und Kosovo erinnern, der dort zur Sicherung der zivilen Ordnung nötig ist. Dabei scheinen die Voraussetzungen dort um vieles (materiell) besser als im Land des Schlafmohnes. Mich würde es nicht wundern, wenn die BRD in 20 Jahren noch immer Soldaten an den Hindukush schicken muss. Was unsere Marine angeht, würde ich gerne mal ein paar handfeste Belege dafür sehen, die den aufwändigen Einsatz rechtfertigen. Immerhin versucht sich ein anderer Flottenverband ja auch vor der Küste Libanons im Kampf gegen den Terror.

Für den Hinweis auf inhaltliche Fehler wäre ich sehr dankbar.

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