Da blubbert eine kleine Meldung durch den Medienmarkt und ich ärgere mich. Es geht darum, dass sich die Bundesregierung 6 neue Flugzeuge kaufen will.
Vielleicht sollen das ja die neuen Sexflugzeuge werden? Aber Spaß beiseite.
Beim Lesen denkt man, warum brauchen die denn neue Flugzeuge? Sucht man etwas im Netz, findet man eine mögliche Antwort: Ersatz von anderen Altfliegern. Ich hingegen dachte sofort an einen medienwirksamen Coup der Regierung, wie man sich von den dicken Dienstwagen löst. Einfach mit einem kleinen schnuckeligen Ökoauto (zum Flughafen) fahren und dann mit dem Learjet durch die Republik düsen. Quasi ein bissel Kasperletheater fürs Volk machen.
Aber ganz so durchsichtig ist es wohl doch nicht. Deshalb noch ein paar Gedanken dazu: Warum braucht die Bundesregierung überhaupt so viele Flugzeuge? Präsident und Kanzler_in könnten sich eine Maschine teilen und der Außenminister bekommt auch noch eine. Sense. Warum muss man denn so um den Erdenball herumdüsen? Ach ja, ich vergaß: Rohstoffe und Energie kommen ja von „jwd“her (janz weid draußen, sächsische Mundart). Da muss man vorsorgen, damit man für die Zukunft als Exportweltmeister vorsorgen kann. Und natürlich müssen die Grenzen von Deutschland ja auch am Hindukusch verteidigt werden. Blabla. Ich kann es nicht mehr hören.
Und noch was kommt hinzu: Deutschland kann sich ja nicht einmal selbst versorgen. Nach gut 2/3 eines Jahres ist Deutschland auf Importe angewiesen, damit es weiter wurschteln kann. Natürlich beruht unser Wohlstand auf der Wirtschaftskraft von unserem Land, aber auf der anderen Seite würde ich auch gerne Textilien aus der Heimat kaufen können. Vielleicht nicht aus Baumwolle, aber vielleicht aus Hanf.
Mir geht dieser ganze Zirkus langsam auf die Nerven. Alle hetzen sie herum, aber keiner nimmt sich Zeit für sich selber. Und dann lungern noch die Jugendlichen hier im Viertel am Stadtteilzentrum herum und werden dort Bierflaschen kaputt. Vielleicht ist ja doch was an der Pisa-Studie dran? Und in der Zeitung steht, dass EU-Experten um die Lebensqualität in Europa fürchten. Und so weiter und so fort.
Hat denn hier noch jemand einen Plan, wohin man will? Gibt es denn überhaupt eine Vision, deren Anpeilung sich lohnen würde? Ich für meinen Teil würde (m)eine Vision im Kurzen so schildern:
- Nachhaltige Lebensweise
- Regionale Versorgung und Wertschöpfung
- Sparsamer überregionaler Handel (hier wächst nun mal NOCH keine Baumwolle, 😉 )
- Friede auf Erden
- Erhöhung des Bildungsniveaus
- Reduzierung von Arbeit, um Selbstverwirklichung zu ermöglichen
- buntes Kulturtreiben
- Erhaltung von altem Wissen
- Nutzung früherer Erfahrung
Ach genug, geträumt. Ich beende mal lieber dieses Frust-Posting, bevor hier noch was schief geht.
Es gibt gute Gründe, dass Baumwolle noch nicht in Deutschland angebaut wird. Weil hier denkbar ungünstige Anbaubedingungen herrschen und die so schon unter extremen Düngemittel- und PSM-Einsatz kultivierte Pflanze hier wohl einen Umweltgau auslösen würde. Stephan, bei all deinen wohlmeinenden Anliegen, du bist noch zu jung für den beschränkten Vorstellungshorizont unserer Großväter. Hast du eigentlich eine Vorstellung wie groß die Umweltbelastung durch den globalen Gütertransport wirklich ist oder peilst du das nur über den Daumen? Ist die Umweltbelastung in Entwicklungsländern wirklich eine Folge globalen Handels oder der Ausdruck institutioneller Unterentwicklung? Ein Besuch dieser Länder zeigt, wie sehr die dortigen Probleme hausgemacht sind. Wie ist deine Meinung zu den Wohlstandseffekten von weltweitem Handel durch Arbeitsteilung und Spezialisierung? Regionales Wirtschaften war die bestimmende Komponente vorindustrieller Wirtschaftssysteme, die gerade wegen ihrer geringen Produktivität nur wenig und schlecht verteilten Wohlstand zuließen. Das sind alles Fragen, die vor der Einnahme einer wachstums- und entwicklungskritischen Haltung stehen. Und deren Beantwortung kommt mir hier manchmal etwas zu kurz. Aber das kann sich ja ändern und dann geht vielleicht auch der Frust weg. 😉
Schöne Grüße
Steffen
Wir können die Welt nicht ändern, aber beginnen, selber Verantwortung zu übernehmen und kleine Schritte zu tun. Alle grossen Veränderungen haben so begonnen.
Aber ich verstehe, dass die Sicht auf’s grosse Ganze Frust auslöst, mindestens wenn man das heute in den Medien vermittelte Bild vor Augen hat.
Steffen, ich versuchs mal.
Hast du eigentlich eine Vorstellung wie groß die Umweltbelastung durch den globalen Gütertransport wirklich ist oder peilst du das nur über den Daumen?
Schiffsverkehr hat es schon „immer“ gegeben und wird es wohl auch weiter geben. Quantitativ kann ich keine Zahlen nennen, da müsste ich erstmal ne Runde recherchieren. Obwohl, der schnelle Überblick beim Hamburger Hafen gibt ganz grobe Orientierungsrichtlinien. Heftig ist der Anstieg bei den Containern. Natürlich „hängt“ nicht nur Deutschland am Hamburger Hafen. Vom Gefühl her, hätte ich geschätzt, dass sich der Containerhafen vervielfacht hat, in den letzten Jahren. Was wohl auch stimmt. Aber Frischfisch per Flugzeug nach D einzufliegen ist und bleibt für mich eine Sünde ohne Gleichen.
Ist die Umweltbelastung in Entwicklungsländern wirklich eine Folge globalen Handels oder der Ausdruck institutioneller Unterentwicklung?
Habe ich dazu was geschrieben? Ansonsten wird ja vielleicht global gehandelt, aber mit sehr unterschiedlichen Standards. Während bei uns Umweltämter über die Pläne gucken, mag es woanders gar keine Umweltfachleute geben. Von daher müsste der Unternehmer noch viel vorsichtiger sein. Zumindest wenn es eine Firma mit ausländischem Kapital ist. Da sollten gewisse „Investitionsstandards“ verbindlich eingeführt werden.
Wie ist deine Meinung zu den Wohlstandseffekten von weltweitem Handel durch Arbeitsteilung und Spezialisierung?
Ich versuche es mal kurz beantworten. Das Erreichte ist so gigantisch, dass man eigentlich die Frage beantworten müsste. Wieviel mehr muss es denn noch sein? Ich spiele auf das ewige Wachstum an. Eine Stagnation auf hohem Niveau würde doch reichen und einem beständigen Wandel genügen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass in urbanen Gebieten eine Überspezialisierung stattfindet und die Menschen die Zusammenhänge aus den Augen verloren haben. Dadurch kann das Gefühl entstehen, dass die Menschen den Bodenkontakt verlieren. Eben weil ihr Handeln keine direkte Rückkopplung der Natur bewirkt. Die Auswirkungen des Handeln sind weit über den Erfahrungshorizont hinausgetreten. Handel und Spezialisierung müssen sein, nur eben im Rahmen des Möglichen (Nachhaltigkeit). Ich habe kein Problem, wenn Schiffe mit Pflanzenöl herumtuckern, damit die zukünftigen Generationen noch genug Öl für Plastik haben. Mich stören auch „Bio“-Bananen und Cafe aus fairem Handel nicht wirklich. Was mich aber nervt, sind Bananen, die nach Nichts schmecken und wo man auch nicht erfährt, mit was sie gespritzt sind. Fernseher kann man auch in Deutschland fertigen, die muss man nicht in China bauen. Im Gegenzug kann sich der deutsche „Fernseharbeiter“ auch eine deutsche Waschmaschine leisten. Und den ganzen Elektro-Spielkrams in Autos braucht man nicht wirklich.
Ich bin kein Wirtschaftshistoriker. Aber ich bin der Meinung, dass Deutschland ohne die beiden Kriege und mit viel Regionalbewustsein und Wissensexport (anstatt Kolonialismus) verdammt gut gefahren wäre. Aber das geht ja nun nicht mehr zu ändern.
Man kann ja auch Formgußteile aus Lignin (ist im Holz) herstellen.
Bei all deiner bewundernswerten Sorge für Nachhaltigkeit frage ich mich bloß, warum du deine Bemühungen dann nicht direkt an den befürchteten Umweltschäden, sondern an Globalisierung und Handel festmachst. Nichts spricht gegen globalen Handel und wirtschaftlichen und kulturellen Handel, wenn wir die damit verbundenen Umweltproblem in den griff bekommen. Also warum setzt du dich statt für saubere Schiffe eher für keine Schiffe ein, statt für umweltfreundliche produzierte chinesische Fernseher für deutsche Fernseher. Ich sehe hierin keine innere Logik. Im Übrigen, wenn ein deutscher einen chinesischen Fernseher kauft, dann hat der Chinese ein Bündel Euro in der Hand, was er nun einmal nur im Euroraum wieder ausgeben kann. Handel ist Realgütertausch,wir Deutschen müssen also etwas produzieren, dass wir gegen die Fernseher tauschen. Und das schafft Arbeitsplätze auch in Deutschland. Das wir hier in Deutschland kapitalintensiver produzieren als in China liegt schlicht daran, dass Kapital hier relativ billiger ist als Arbeit. Dafür können die Chinesen herzlich wenig, mehr dafür unsere Arbeitsmarktpolitik. Den Glaube, dass mit regionaler Produktion mehr Arbeit bei gleichem Wohlstand möglich ist, würdest du verlieren, wenn du mal deinen inneren Schweinehund überwinden würdest und einen Blick in ein Einsteigerlehrbuch der Ökonomie werfen würdest.
Mit den Schiffen ist das so: Ich habe kein Problem damit, wenn viel weniger Dreckschleudern über die Weltmeere tuckern. Klar wäre es schön, wenn die auch sauber wären. Aber eine Dreckschleuder verpulvert immer noch weniger C02 als 10 Saubermänner. Der Energieaufwand ist ja bei allen 11 Schiffen der „gleiche“.
Es spricht nichts gegen globalen Handel, nur etwas gegen überflüssigen Handel. Mit einem in D produzierten Fernseher brauch ich die Schiffe teilweise nicht. Und warum soll ich drauf hoffen, dass der Chinese den Euro hier ausgibt, wenn ich mir sicher bin, dass der deutsche (von mir aus auch der westeuropäische) Fernsehmonteur dies tut. Das begreife ich einfach nicht.
Ironisch: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Ach ja, das Plaste für neuen Fernseher recyclen wir aus den alten Fernsehern. Oder wir nehmen einen Ersatz fürs Öl um plastähnliche Stoffe zu erzeugen. Wird zwar teurer, aber Arbeit bleibt vor Ort.
Wenn ich groß bin, die Welt bis dahin noch nicht untergegangen ist, guck ich auch mal in ein Ökonomiebuch. 😉 Oder würdest du jetzt eine ganz konkrete Empfehlung für ein Einsteigerbuch in deutscher Sprache aussprechen?
Ja versuchs mal mit „Ökonomics“ (2006) von Tim Harford oder „Der ökonomische Code“ (Taschenbuch für 10€) von David Friedman. Das kann man auch im Bett vor dem Schlafengehen lesen und ist damit nicht schlechter bedient als mit einem dicken Mikoökonomik-Lehrbuch.