Soziale Milchwirtschaft

Wenn jetzt die Politiker jammern, dass man keine Milch wegschütten sollte, dann sollte man immer eines im Hinterkopf behalten:

Die Politik verspricht uns die soziale Marktwirtschaft. Sie ist in der Lage, die Rahmenbedingungen für die (Land-)Wirtschaft zu gestalten. Subventionen von der lokalen bis zur europäischen Ebene lassen genügend Spielräume offen. Richtlinien und Erlasse aus Brüssel können auch viel bewegen, zum Beispiel lokale Märkte in Schwellenländern durch subventioniertes Milchpulver zerstören. Genauso gut könnte man diese Dinge unterbleiben lassen und Regelungen für eine faire Bezahlung der Bauern finden.

Und es ist auch die Politik, die die Verwaltungsregeln für die Zulassung von Bauwerken (Molkereien) beschliesst. Letztlich muss es der politische Wunsch gewesen sein, dass der Handel die Molkereien und Bauern erpressen kann. Einen aufgeklärten Kunden, kann in Zeiten globaler Zusammenhänge eigentlich kein Politiker mehr voraussetzen. Die sehen ja selber nicht mehr durch, sie EU-Vertrag.

Und wenn am Ende die Bauern aus purer Verzweiflung handeln, dann ist das nur eine Auswirkung der politischen Unfähigkeit, egal ob in Berlin oder Brüssel.

Kennt ihr Medienberichte, die dieses Kuddelmuddel mal ausführlich beleuchten? Vor allem würden mich alternative Modelle interessieren.

Hier mal eine Runde Brainwashing seitens der Industrie:
Milchindustrie kirtisiert Streitkultur

Dort labert der Industrievertreter vom freien Markt. Das ist Müll, da es in Europa Quoten gibt. Also Planwirtschaft existiert.

Hier die Gegenposition des Bauernverbandes
Milchbauern: „Unmoralische Preise“

Folgende Punkte stören die Bauern:

  1. Handelskonzentration
  2. Molkereien arbeiten nicht gemeinsam mit den Bauern
  3. Bauern sind schlecht gegenüber dem Handel aufgestellt

Zu Punkt 1 schreib ich nix. Wenn der Verbraucher zum Discounter geht, dann macht er das eben. Egal ob aus Sparsamkeit oder Unkenntniss der globalen Zusammenhänge.

Punkt 2 ist interessant. Lebensmittelkonzerne besitzen Molkereien und starke Marken. Die wollen keine Grundversorgung mit guten Lebensmitteln, sondern Umsatz und Gewinn für die Börse. Das sind ja AGs. Oder kennt ihr einen Top-Manager der im Discounter steht und seine HartzIV-Kunden fragt, wie gut der neue „Supersmoothie“ schmeckt? Die generieren Bedürfnisse und wollen diese im Einzelhandel befriedigen. Wenn Müller (besitzt die größte Molkerei Europas gut 30 km vor Dresden) eine „neue Milch“ erfindet, dann braucht Müller den Handel um diese „neue Milch“ ins Regal zu stellen. Müller braucht aber nicht die lokalen Bauern, weil Diesel ja günstig ist und Milch auch gerne mal 200-300 Kilometer durchs Land gefahren werden kann. Gute und bezahlbare Grundnahrungsmittel sind eher noch im Interesse von Genossenschaftsmolkereien im Besitz der Bauern. Die sind aber leider im Wettbewerb fast alle gescheitert. Aus meiner Sicht, funktioniert die Allianz zwischen Handel und Molkerei einfach zu gut als es die Allianz zw. Molkerei und Bauer müsste.

Punkt 3 ist absolut verständlich. Wenn du auf dem Feld stehst, kannst du eben nicht am Molkereitor über den Milchpreis verhandeln. Die Zeiten sind vorbei.

Fazit:
Regionale Herstellung und Verarbeitung der Grundnahrungsmittel (Milch, Quark, Joghurt) würden viele Probleme gar nicht erst entstehen lassen. Darüber hinaus kann man ja noch immer einen Markt für Spezialitäten (franz. Käse *schmelz*) zulassen.

Bleibt die Frage: Warum hat die Politik diese Entwicklung erst zugelassen?

PS: Guggt euch mal die Tags dieses Artikels an (nicht in jedem Feadreader zu sehen). Wer traut sich zu, diese Stichworte in ein Diagramm einzuzeichnen und die Beziehungen dazwischen klar darzustellen?

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85 Antworten zu Soziale Milchwirtschaft

  1. Jochen Hoff sagt:

    Alle Transporte von Lebendvieh außer zu Zuchtzwecken, Zuchtschauen, Reitturnieren müssten auf maximal 100 km in zwei Monaten begrenzt werden. Damit würde der Viehtourismus beendet. Für alle andere Fahrten über 100 km muss ein striktes Nutzungverbot für den LKW ausgesprochen werden und die allerdings nicht privatisierte Bahn als Beförderungsmittel vorgeschlagen werden.

    Damit hätten sich die großen Ketten schnell erledigt. Allerding bin ich ebenso der Überzeugung das die Subventionen komplett auf Null gebracht werden müssen und ein Bewirtschaftungsgebot für Flächen verhängt wird, das zur Nutzung zwingt und einen Nutzungsnachweis erfordert. Wer nicht nutzt oder nutzen lässt und mehrfach bestraft wird, verliert sein Eigentumsrecht.

    Wer Landwirtschaft zur Pflege eines bestimmten Landschaftstyps will, muss diese Pflege bezahlen.

  2. Mehlstaub sagt:

    Dazu muss ich jetzt mal fairerweise folgendes sagen:
    Ich stehe dazu, dass ich als Student (zumindest, wenn ich für die Wohngemeinschaft einkaufe) beim Diskounter fast ausschließlich nach dem Gesichtspunkt „BILLIG” kaufe. Und dann kommt eben sowas bei raus, dass sich die Bauern aufregen, dass sie zu wenig Geld bekommen (oder halt dass die Mitarbeiter des Supermarkts / Zulieferers unterbezahlt sind, etc.)
    In gewisser Weise sitzt man dann also zwischen zwei Stühlen, weil man letztlich an etwas Mitschuld ist, was man eigentlich gar nicht will.
    Der Skandal um LIDL hat zwar bei mir bewirkt, dass ich in letzter Zeit häufiger zu Netto gehe, aber ich glaube nicht, dass ich die Milch in Zukunft bei Pfunds Molkerei kaufen werde 😉

  3. Stephan . sagt:

    Da trinkst du ein oder zwei Bier weniger, dann würden dich 10 Cent mehr pro Milchquader auch nicht stören. 😉

  4. Pingback: Duckhome

  5. Mehlstaub sagt:

    > Da trinkst du ein oder zwei Bier weniger, dann würden dich 10 Cent mehr pro Milchquader auch nicht stören.

    Jetzt willst du mir auch noch das bisschen Bier nehmen, was ich trinke? — Ne ne, ich meine wenn die Milch halt überall 10ct mehr kosten würde, dann wäre es halt so. Da hätte ich sicherlich kein Problem damit. Ich meinte nur: Solange es die Milch auch für 10ct weniger gibt, werde ich (zumindest zur Zeit) die für 10ct weniger nehmen. Mit mehr Geld in der Tasche sieht sowas ja schon ganz anders aus. Aber wenn ich mir so die Bewohner unserer Straße ansehe — naja, da bleibt wohl nix mehr für die Bauern über.

  6. René sagt:

    Manueller Trackback: keine alternativen Vertriebswege?
    http://renephoenix.de/?bid=1793

  7. Konrad sagt:

    Ist doch alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Wenn zuviel Milch seitens der Bauern auf dem Markt ist (weil die Bauern angeregt durch Subventionen der letzten Jahrzehntew zuviel produzieren oder weil einfach mal zuviele Milchbauern da sind), dann drückt das den Preis.
    Sprich, wer am unrentabelsten produziert (kleine Bauernhöfe mit ungünstigen Weiden und weiten Wegen zur Molkerei) muss sein Produktiomn einstellen. Das ist wie immer im Einzelfall bedauerlich, aber von der Gesellschaft gewollt (Abstimmung mit den Füßen bei LIDL&Co).

    Da sollten die Bauern mal weniger Jammern sondern erkennen, dass sie nach den Subventionsjubeljahren in der Realität der Marktwirtschaft angekommen sind.

  8. Stephan . sagt:

    Es gibt keinen Markt für Milch. Dort gibt es Quoten. Ergo Planwirtschaft.

    Und wenn du kleine unrentable Bauern vom „Markt“ kickst, dann kannst du schonmal jemanden suchen, der die Landschaft pflegt. Ein Bauer ist auch immer Landschaftspfleger. Mal besser, mal schlechter.

  9. Konrad sagt:

    Landschaftspflege scheint von der Mehrheit der Gesellschaft aber nicht gewünscht zu sein. Denn sonst würden sie der Landschaftspflege im Supermarkt nicht die Finanzierung verwehren – sprich immer dem billigsten Milchpreis hinterher rennen.

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  12. Harald sagt:

    Die Preisdiskussion ght am Kern vorbei. Beim Handel mehr zahlen und dafür bekommt man dann auch ein besseres Produkt, bzw. die Produzenten erhalten einen größeren Anteil vom Preis? Erhalten dann nicht eher die Aktionöre eine größere Dividende und der Hersteller hat keinen Cent mehr und der Kunde meißt nicht einmal eine bessere Qualität.
    Also ich habe kein Vetrauen mehr in dieses System Handel. Warum gibt es denn die Gammelfleischskandale. Weil das billigst einzukaufen und „preiswert“ zu verkaufen ist. Hauptsache die Rendite stimmt! Alles andere ist den Managern doch egal. Nachhaltigkeit gibts vielleicht noch im Forst, aber nur wenn der vernü+ftig betrieben wird….

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