Weiß-Grüner-Fussball

Gestern war es, da waren wir zwischen 14.30 Uhr und 15 Uhr an der Wiener Straße und am Lennéplatz. An jeder Strassenkreuzung standen mehrere Polizeifahrzeuge, wir fühlten uns wie im Polizeistaat. Sogar zwei Wasserwerfer hatten Position bezogen. Wir fragten uns: Was ist hier nur los? Bis es „klick“ gemacht hatte und uns einfiel, dass das neue Dynamostadium ja noch keine Scheinwerfer hat und die 22 Mann noch im Tageslicht das Runde ins Eckige kicken müssen.

Nachdem wir unser Ansinnen in der Gegend beendet hatten, wollten wir am Lennéplatz in die Straßenbahn einsteigen und uns verdünnisieren. Doch das Spiel war zuende und der Platz wurde gesperrt. Rien ne va plùs. Die Gäste wurden in Sonderbussen wohl zum Bahnhof gefahren, strikt getrennt vom Rest des Volkes durch Polizeiketten. Als dann noch der Hubschrauber dazu kam, war die Szenarie ganz und gar surreal.

Warum schreibe ich das hier?

Ich bin schlicht weg erschüttert, dass solch ein Aufwand für ein Fussballspiel betrieben werden muss. Ich habe das ja noch nie erlebt. Ich war noch nie zu einem Fussballspiel in einem Fussballstadion. Das ganz drum-herum war mir also unbekannt. Klar, als Dresdner kennt man diverse Geschichten vom „Fussballkrieg am Großen Garten“ vom Hörensagen, aber das zu erleben ist was anderes.

Es ist verständlich, dass bei grossen Menschenmassen die Polizei mal etwas genauer hinschaut, aber das sollte in einem realistischen Rahmen geschehen. Wenn 3-5 Streifenwagen im Umfeld eines Fussballspiels unterwegs sind, sollte das doch reichen. Oder? Die Polizei wird ja schliesslich auch vom Nicht-Fussball-Fan bezahlt. Davon abgesehen, sollte sie Verbrecher fangen. Außerdem sind Polizisten auch Menschen und wollen am Adventssonnabend nicht quer durch die Republik fahren.

Wenn so ein Fussballspiel die Zuschauer so polarisiert, dass es zu Krawallen kommt, dann hätt ich ne Lösung parat. Stellt das Fussballstadion auf die grüne Wiese, baut nen Zaun darum und lasst die Leute sich auf die Fresse hauen. Falls es Verletzte oder gar Tote gibt, dann wird der Zaun gar nicht erst wieder geöffnet. Okay, das wäre zynisch, aber wir sind ja nicht im Kindergarten. Und wenn solch ein Umfeld die Zuschauerzahlen drückt, dann sollte das auch kein Problem sein. Man geht ja freiwillig Fussball schauen und kann sich auch gepflegt selbst friedlich organisieren.

Mich bewegt echt die Frage, warum die Leute ihr (gutes?) Benehmen beim Fussball vergessen und deshalb das Umfeld einer Sportveranstaltung in Ausnahmezustand versetzen? Ich meine, es gibt doch genug andere Probleme zu lösen, als sich an einem Sonnabendnachmittag die Köpfe wegen Nichtigkeiten einzuschlagen.

Sind wir als Gesellschaft beim Fussball so wenig gemeinschaftsfähig, dass nur der Knüppel hilft? Wenn dem so wäre, mit welchen Mitteln muss man die Masse der Leute dann beim Wirtschaften zum Umdenken bewegen?

Nachbemerkung: Ich will den Fussballfans pauschal keine schlechte Absicht unterstellen. Aber wenn mehrere hundert Polizisten wegen einem Fussballspiel antreten müssen, dann ist das armselig. Schlechter kann man seinen Sport für einen unbedarften Aussenstehenden nicht repräsentieren.

Dieser Beitrag wurde unter Dresden abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

279 Antworten zu Weiß-Grüner-Fussball

  1. Das Trio sagt:

    Wenn man halbwegs in der Nähe von Hauptbahnhof oder Stadion wohnt, kennt man das Problem. Wenn ich dann vorher weiß, das Dynamo wieder spielt, überlege ich mir gewöhnlich mehr als zweimal, ob ich wirklich in die Stadt gehen will – was natürlich nicht sein kann. In diesem Sinne kann ich dir nur zustimmen. Meistens sind ja sogar zwei Hubschrauber im Einsatz. Da wird so viel Geld verschleudert, dass es einfach nicht mehr tragbar ist.

    Vielleicht würden richtig harte Sanktionen helfen. Sobald es im Rahmen eines Spiels zu Ausschreitungen kommt, wird abgebrochen und die nächsten drei Spiele werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen, zusätzlich Punktabzug. Die Vereine und Fans müssen ein ernsthaftes Interesse daran haben, sämtliche Hooligans außen vor zu halten.

    Bei einem Bremenbesuch habe ich mal das komplette Gegenteil von Dresden erlebt. Da diskutierten zwei mehr oder weniger ältere Pärchen über ein gerade laufendes DFB-Pokal-Spiel von Werder in einer sehr positiven und aufgeschlossenen Weise. In der Stadt liefen auch viele Leute mit Fanklamotten rum, aber von Absperrungen oder großem Polizeiaufkommen war nichts zu sehen. Das könnte ich mir hier in Dresden nie vorstellen.

  2. Lex sagt:

    Ein Beitrag der sicher berechtigt die Befindlichkeiten vieler Dresdner berührt, der aber auch differenziert betrachtet werden sollte.

    @Das Trio: Welche Möglichkeiten siehst du für den Verein „außerhalb“ des Stadions für einige seiner eher fragwürdigen Fans einzuwirken? Welche „hoheitlichen“ Maßnahmen kann ein Verein wahrnehmen? Ist er dafür zu bestrafen? Würdest du einem Gastsättenbetreiber die Konzession für 3 Tage entziehen, wenn sich seine Gäste nach dem Besuch bspw. angetrunken auf der Straße daneben benehmen? Nur so aus dem Rechtsempfinden heraus betrachtet.

    Ein paar Gedanken dazu gern auch hier

  3. Na schau an, das Trio liest auch hier 🙂

    Ich habe mir da schon lange Gedanken drüber gemacht. Es waren ja auch schon zahlreiche Randale und Prügeleien nach Dynamo-Spielen im Fernsehen zu sehen. So weit ich mich erinnere war das vorallem mal nach einem Spiel gegen Berlin. – Naja, zurück zu meinen Gedanken. Ich bin auch nicht zu einer Lösung gekommen. Einerseits kann es nicht sein, dass der Otto-Normalsteuerzahler solche Polizeieinsätze finanziert, andererseits ist es für den Verein (und die sport- / kulturinteressierte Allgemeinheit) nicht vertretbar, wenn nach und nach immermehr Vereine ohne Zuschauer spielen müssen. Das Problem ist ja: Wenn man sagen würde Dynamo-Spiele dürfen in den nächsten 2 Jahren nur noch vor leeren Rängen ausgetragen werden, dann würden die Holligans eben nach Aue oder Leipzig fahren. (Tun sie ja jetzt schon.) Und wenn man diese Strategie weiterfährt, dann wird man in Zukunft auch keine Tennisturniere mehr besuchen können, oder diese Aggressionen laden sich eben woanders ab.

    Eine Frage bleibt für mich allerdings: Handelt es sich hier hauptsächlich um „Fan“-„Fan“-Agressionen oder eher um „Fan“-Polizei-Agressionen? Wenn einige solche „Fans“ schon öffentlich behaupten, sie seien hier um den „Bullen par auf die Fresse zu Hauen“ (o.ä.), dann muss die Lösungsstrategie sicher eine andere sein, als wenn es sich um tatsächlich Fußball-bezogene Agressionen handelt.

    Gerade noch gefunden:
    Dresden Fernsehen: http://www.blinkx.com/video/sg-dynamo-dresden-ii-vs-1-fc-lok-leipzig/Cg2LCwsugmCLswASkTOrZg
    Spiegel TV: http://www.blinkx.com/video/spiegel-tv-dynamo-dresden-vs-union-berlin/-ckeJCOSm9pvHVIy-B8nfA (leider miese Qualität)

    In diesem Sinne: Geruhsames Fest!

  4. Das Trio sagt:

    Das ist natürlich nicht einfach, da hast du recht. Das von dir im anderen Blog erwähnte Fanprojekt Dresden scheint da schon recht erfolgreich in die richtige Richtung zu gehen, ebenso die „Dann zieh unser Trikot aus“-Kampagne. Aber ich frage mich, ob damit wirklich die richtigen „Fans“ angesprochen werden – oder nur die, die das ohnehin so sehen.

    Welche konkreten Möglichkeiten die Vereine nun haben oder haben könnten, weiß ich leider auch nicht.

  5. Lex sagt:

    Der Verein hat bspw. die Möglichkeit Stadionverbote für ermittelte „Täter“ auszusprechen. Dies auch bundesweit. Diese gelten zumeist auch für einen bestimmten Umkreis rund um das Stadion. Von dieser für Fans sehr unpopulären Maßnahme wurde in der Praxis durchaus häufig Gebrauch gemacht. Dies also auch eine Möglichkeit von konkreten Sanktionierungen. Diese sind in den meisten Fällen auch gerechtfertigt.

    Fraglich ist aber, ob bei „belehrungsresistenten“ Personen dabei die Probleme nicht nur verlagert werden.

    Die Thematik ist zu komplex, um es auszudiskutieren. Das kann wohl auch niemand. Das Problem um Gewalt beim Fußball ist global.

    Das sich nicht alle sog. Fans von den diversesten Maßnahmen oder Angeboten angesprochen fühlen, ist auch klar. Aber aufklärend und auch präventiv arbeiten, das sollten die Vereine auch weiterhin tun. Diesen Beitrag müssen sie leisten!

  6. Stephan sagt:

    @Koloradokäfer: Wenn es um „Fan“-Polizei-Aggression geht, dann hat das doch sicherlich einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Wobei wir dann wieder beim Negativtrend in der menschlichen Entwicklung sind.

    Nicht nur finanziell (Arm-Reich), kulturell (u.a. Bildung) und wirtschaftlich (Nachhaltigkeit) geht es berg ab, sondern auch sportlich. Ich bin gespannt wie die Historiker das sehen werden.

  7. Sonic Lux sagt:

    Du hast immer noch nicht den Holliganismus verstanden.
    Es existieren nicht umsonst die Parolen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel..“
    Das ist fuer die Ausuebenden Personen der Sport des Fussballs. Was ich wiederum nicht nachvollziehen kann… In wie Fern dann Vandalismus etc dazugehoert… hmm

    Und ausserdem sollte man nicht unterschaetzen das eine derartige Praesenz an Cops fuer viele als eine Provokation verstanden wird. Was ich durchaus verstehen und nachvollziehen kann.

  8. Stephan sagt:

    Ich dachte echte Hooligans treffen sich nach dem Spiel eh auf der grünen Wiese vor der Stadt. Dort bauen sie ihr Aggresionspotential ab und fertig ist.

    Nur die „halben Hools“ bekommen das nicht hin und verstecken sich in der Masse der friedlichen Fussballschauer.

  9. Dapema sagt:

    Leider entwickelt sich der „Laden“ massiv negativ, sportlich wie gesellschaftspolitisch, keine Ahnung wohin das noch gehen soll. Anfang der 90iger habe ich kein Spiel verpasst, ich war Ordner, ich war beim Catering usw. Schlechte Spiele, gute Spiele. Da flog mal eine Flasche… und der Gang zum Hbf war halt etwas streßig, die Hools waren nette Leute wie Du und ich von nebenan… (Da hat Stephan recht…) heute haben wir ein teures Stadion, Polizeieinsätze die wir täglich dem Steuerzahler nahe bringen müssen, Schulden, eine fussballfeindliche Stadt (auch wenn sie Millionendarlehen gibt…), wenn die SG wenigstens sportlich überzeugen würde… Mein Sohn ist fast 14 Jahre und fussballbegeistert gewesen… heute ist er erfolgreich im Kanusport… warum wohl…

  10. Stephan sagt:

    Welch ein Zufall, dass ich Trainer im Kanusport bin. 🙂

  11. Also betrachte den Aufwand um Fußball nach dem Motto „Brot und Spiele“. Zumindest war das schon im alten Rom ein probates Mittel um die Massen im Zaum zu halten.

    In diesem Sinne „Frohe Weihnachten!“

Kommentare sind geschlossen.