Mal angenommen, dass man zu viel Geld hätte und man möchte Gutes tun. Was soll man tun? Vielleicht etwas spenden? Nur wem, es gibt ja so viele Gemeinnutzer (non profit organisations, NPO) da draußen? Der kleinen Sozialinitiative um der Ecke oder der schwergewichtigen Menschenrechtsorganisation mit ihrer dicken Verwaltung? Einer Glaubensgemeinschaft? Ob ich auch Rückmeldung über meine Wohltäterschaft bekomme?
All diese Fragen kann man sich heute stellen. Und ein paar dieser Zweifel möchte der BruttoSozialPreis 2007 ausräumen. Das schreiben die Initiatoren darüber:
Der BruttoSozialPreis ist der erste und deutschlandweit einzige Nachwuchswettbewerb im Bereich Sozialmarketing. 2004 von Studierenden des Berliner KommunikationsFORUMs e.V. ins Leben gerufen, findet er dieses Jahr zum vierten Mal statt.
Herzstück des BruttoSozialPreises ist ein siebenwöchiger Wettbewerb: zehn Studententeams erarbeiten – unterstützt von Experten – maßgeschneiderte Kommunikationskonzepte für zehn teilnehmende NPOs. NPOs erhalten die Möglichkeit ihre Kommunikation zu optimieren und ein professionelleres und erfolgreicheres Auftreten in der Öffentlichkeit zu realisieren.
Weitere Informationen zum Berliner KommunikationsFORUM e.V. finden Sie unter www.forum-ev.org und www.bruttosozialpreis.de
Leider fehlt dem BruttoSozialPreis 2007 noch ein Projektleiter. Wer sich also ehrenamtlich dieser Herausforderung stellen möchte, dem sei die Projektleiterausschreibung ans Herz gelegt.
Da ich aber mit den ganzen Begrifflichkeiten und der Motivation nicht ganz klar kam, habe ich mich mal mit einem der Initiatoren unterhalten. Ich bin nämlich kein Kommunikationswissenschaftler und die Leute vom BERLINER KOMMUNIKATIONSFORUM scheinen ein wenig in ihrem Elfenbeinturm zu leben. Auf ihrer Webseite können die Kommunikationsexperten ihre Mission jedenfalls nicht kurz und verständlich ausdrücken. Oder hat dort jemand eine Vision/Leitfaden gefunden?
RAÚL: hi, ich bin der raul. du hattest mir grad ne Email geschrieben
Stephan: hallo Raul
Stephan: ja, hatte ich
RAÚL: erstmal danke.
Stephan: bitte keine Ursache
RAÚL: unser verein finanziert sich ausschließlich über Spenden, Förderbeiträge und selten durch Sponsoring-Überschüssen. [Anm., siehe auch da: Freunde des Vereins]
Stephan: okay.
Stephan: und was der BruttoSozialPreis ist, hab ich mittlerweile herausgefunden
RAÚL: schön
Stephan: nur frage ich mich ernsthaft, warum so ein Aufwand dafür getrieben wird
RAÚL: Aufwand wofür?
Stephan: also dass es wirklich nötig ist, so viel Kommunikationsaufwand zu betreiben, um die „Massen“ zu erreichen
RAÚL: für NPOs?
Stephan: genau
Stephan: also dass eine echte Konkurrenzsituation zwischen Ökonomie und Sozialem entstanden ist
Stephan: kommerzielle Werbung <-> NPO-Kommunikation
RAÚL: es geht nicht um die Masse. das würde ja bei vielen gar keinen sinn machen. Aber Fakt ist, das der Konkurrenzdruck der NPOs untereinander größer wird.
RAÚL: immer mehr Organisationen wollen Geld. Seit neuestem Schulen, Unis und Krankenhäuser.
Stephan: Weil Deutschland verarmt und für sowas kein Geld mehr hat?
RAÚL: Naja, so einfach ist das auch nicht
Stephan: ich kenne mich da gar nicht aus
Stephan: und ich habe eben auf eurer Webseite keine eingängige Erklärung gefunden
RAÚL: es ist einfach so, dass der staat sich aus immer mehr Verantwortung zurückzieht.
Stephan: was ja prinzipiell nicht verkehrt ist, das lässt mehr Freiraum für den Bürger
RAÚL: das Spendenniveau in Deutschland schon Spitzenklasse ist. und große Sprünge nicht mehr zu erwarten sind.
RAÚL: ja. aber eben auch mehr „Werbedruck“ für NPOs
RAÚL: sie wollen Aufmerksamkeit.
RAÚL: und das möglichst effizient, weil Werbung teuer ist.
Stephan: nur warum muss denn überhaupt geworben werden? geben die Leute das Geld sonst „falsch“ aus? Oder muß man an deren „Gewissen“ appellieren?
RAÚL: die Leute wissen oft nicht wofür sie spenden sollen. außerdem wollen bestehende Spender auch eine gewisse Gegenleistung sehen. es geht also nicht nur um Neugewinnung sondern auch um pflege der alten Spender.
RAÚL: Stichwort: „stakeholder management“
Stephan: stimmt, ich mag auch nicht für intransparente NPO spenden, wo am Ende viel Geld in der Verwaltung versickert
Stephan: das hält mich ganz klar davon ab
RAÚL: 🙂
Stephan: also haben die lange Zeit einfach sehr viel Spenden bekommen und nun werden die Leute kritischer
Stephan: Unter anderem, weil deren Geld vielleicht auch nicht mehr so locker sitzt
RAÚL: nein, nicht unbedingt. aber der Konsument ist einfach daran gewöhnt geliebt zu werden. durch klassische Werbung.
Stephan: häh? Geliebt zu werden? Hab ich was verpasst?
Stephan: Deinen Satz versteh ich nicht
RAÚL: Werbung wirt nicht immer nur zur neukunden-gewinnung sondern meist zur Bestätigung bestehender kunden entwickelt.
Stephan: aha…das scheine ich gar nicht wahrzunehmen, weil ich kein TV habe und nur werbefreies Radio höre
Stephan: also geht es darum, um die gegen die „Psychotricks“ der kommerziellen Konkurrenz anzutreten?
RAÚL: nicht gegen sie. aber mit ihren mitteln.
RAÚL: Plakatwerbung kriegen wir alle zu sehen
Stephan: verrückte Welt. Sind die Menschen wirklich so medial übersättigt, dass es eine dermaßen hohe Professionalität braucht?
RAÚL: ja, leider.
Stephan: Gibt es da irgendwelche Quellen (auf eurer Webseite?) dazu?
RAÚL: wozu?
Stephan: Zur medialen Übersättigung
RAÚL: nein.
Stephan: Ich bin kein Werbefachmann und auch kein Kommunikationswissenschaftler
Stephan: aber das Thema ist hinreichend interessant
RAÚL: www.initiative-sozialmarketing.de
Stephan: da man Werbung durch den Produktpreis ja mit bezahlt
RAÚL: naja. ohne Werbung kein Produkt.
Stephan: Also ich kaufe mir mein Joghurt, weil er schmeckt und weil er aus der Region ist
Stephan: hab halt vorm Regal [des Bioladens] entschieden
RAÚL: ja, Joghurt. und Autos, Waschmaschinen und Medikamente?
Stephan: auto hab ich keins
Stephan: bei der Waschmaschine hast du mich erwischt
Stephan: da such ich nach einer Alternative fürs Waschmittel (vllt. Waschnüsse)
Stephan: und Medikamente kauf ich auch nicht
Stephan: bin zu selten krank
Stephan: bei Grippe leg ich mich ins Bett 😉
RAÚL: naja. ich denke, du weißt was ich meine.
Stephan: jep
Stephan: Okay…soweit hast du mich überzeugt
Stephan: ich pack deine Anzeige in mein Blog
RAÚL: danke…
Ich fasse meine Erkenntnisse nochmal kurz zusammen. Die professionelle Werbung (die für den Kommerz) arbeitet mittlerweile so gut, dass die Gemeinnützer (NPO ist eine hässliche Abkürzung) zunehmend durch die Professionalität des Kommerzes unter Druck geraten. Die Menschen werden medial umhüllt. Zusätzlich gibt es immer mehr gemeinnützige Organisationen, die im Wettbewerb um den großen Spendenkuchen stehen. Deshalb müssen die Organisationen ihre Kommunikation verbessern. Und da setzt dieser Verein unter anderem an. Der fade Beigeschmack bleibt aber, da die Kommerzagenturen im Forum ja fleißig ihren Nachwuchs „ranzüchten“. Nehmt mir die Formulierung bitte nicht übel. Anders kann ich mir das Engagement der Agenturen dort nicht vorstellen. Unternehmen haben nunmal nichts zu verschenken. Das sind alles nur Investitionen.
Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich habe diverse Befürchtungen, dass in der Werbebranche mit allen Psychotricks gespielt wird, die die Wissenschaft hergibt. Als „Normalsterblicher“ hat man von den Methoden keine Ahnung. Und es würde mich nicht wunderen, wenn neben dem Militär und der Forschung die Konzerne und Agenturen das dritte große Sammelbecken für Psychologen sind. Und wenn die Werbung erstmal im Unterbewusstsein des Konsumenten angekommen ist, dann kannst du ihm jeden Schrott verkaufen. Der Konsument merkt noch nicht einmal, dass er von einer Marke über den Tisch gezogen worden ist. Und ganz nebenbei hat er nun keine Zeit mehr, sich sozial zu engagieren, weil er ja in seinem Hamsterrad für den nächsten Konsumrausch wieder malochen muß. Tolle Welt!
Ach ja: Die Leute vom Nachhall Texter haben auch mal Kritik am BSP geäussert.