10 Prozent Gewinn sind nicht genug – Deutschland ist sozialistisch

Am 7.10. sendete Arte den empfehlenswerten Themenabend „Management und Verantwortung„.

Die beiden TV-Beiträge sind aktuell in der Arte-Mediathek zu sehen und werden am 17.10.08 nocheinmal ausgestrahlt.

Beim Schauen erfährt man so ganz nebenbei, dass die 50 000 Euro Gewinn pro Arbeitsplatz bei Nokia in Bochum den Finanzinvestoren nicht genug war. Ich habe das damals eh nicht so genau mitbekommen, warum Nokia nach Rumänien wollte, aber wenn man sieht, dass dort 80 000 Euro Gewinn pro Arbeitsplatz warten, dann wird die Sache klar.

In der angelsächsischen Ökonomie zählen eben nur noch Zahlen. Menschen werden zu Ressourcen, nicht weiter. Wohin das führt, sieht man an den Working-Poor, die es nun ja auch in Deutschland gibt.

Im zweiten Beitrag motzt der Private-Equity-Manager Wyser-Pratt über Deutschland, dass wir sozialistisch seinen. Es würde zuviel Rücksicht auf die Mitarbeiter in den Unternehmen genommen, aber er, der große amerikanische Held, macht in den Aufsichtsräten den nötigen Dampf, damit die wahren Unternehmenseigner (Aktieninhaber) zu ihrem Recht kommen, der Kapitalvermehrung.

Dass es in Deutschland ein echtes Mentalitätsproblem in den Aufsichträten vor allem in öffentlich-rechtlichen Banken gibt, das ist klar. Das wurde sogar in einer Studie (pdf) jetzt gezeigt. Aber irgendwie hat es doch sein gutes, wenn man dem Spiel der freien Kräfte ein paar menschliche Züge hinzufügt. Dann gibt es zumindest nicht ganz so krasse Differenzen zwischen Arm und Reich.

Übrigens will Wyser-Pratt auf dem deutschen Markt für Altenpflege in Zukunft eine ganz große Nummer spielen. Also passt schön auf, in welche Hände ihr eure liebsten gebt. Sonst wird vielleicht im Altersheim an euren Verwandten gespart, um an der Börse besser dazustehen.

Und ob die globalisierte Finanzökonomie auch auf unsere Lebensgrundlage (funktionierende natürliche Kreisläufe) Rücksicht nimmt, das mag ich echt zu bezweifeln. Nimmt sie ja noch nicht einmal auf Menschen Rücksicht.

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8 Antworten zu 10 Prozent Gewinn sind nicht genug – Deutschland ist sozialistisch

  1. *hust* Hast du dir ein aktuelles Altenheim mal ernsthaft angesehen? Viel schlimmer kanns eigentlich kaum noch werden, die Gewinnorientierung ist dort schon lange angekommen.

  2. stefanolix sagt:

    Ist das in den Aufsichträten der öffentlich-rechtlichen Banken nicht eher ein Kompetenzproblem? Damit begann doch eigentlich (für Deutschland) das ganze Debakel: dass staatliche Banken in Steuer-Oasen irgendwelche windigen Tochterfirmen gründeten, die dann Geschäfte machten, die in Deutschland nie möglich gewesen wären.

  3. Stephan sagt:

    Stimmt…ich wollte schreiben, dass zu dem Mentalitätsproblem das Kompetenzproblem hinzukommt. Da war der Kopf schneller als die Finger.

  4. Das der Gewinn ausschlaggebend ist, lernt man auch in Deutschen Universitäten. Allerdings, wenn man gut zuhört, wird auch an das Sozialgewissen apelliert. Leider hört nicht jeder richtig hin und einige Bänker haben wohl die wichtigsten Vorlesungen, wie Risikomanagement, verpasst…

  5. Hunde Freund sagt:

    Leider ist bei uns alles aug Gewinnmaximierung ausgelegt. Finds dann „toll“ wenns mal wieder so richtig kracht und keiner weiß wo ihm/ihr der Kopf steht. Ob das der richtige Weg ist?

  6. SteffenH sagt:

    Ich kann mir nicht helfen, aber wenn ein Arbeiter in Rumänien 80000 € Gewinn erwirtschaften könnte, es aber nicht darf, weil in Deutschland ein Arbeitsplatz mit 50000 € Produktionswert erhalten werden soll, dann erwirtschaftet der deutschen Arbeiter 30000€ Verlust. Schließlich ist sein Arbeitsplatz dafür verantwortlich, dass in Rumänien Werte für 80000€ weniger entstehen. Eigentlich eine einfache Rechenaufgabe. Und dann ist da ja noch dieses kleine Detail von den Deutschen, die rumänische Nokia-Handys kaufen, wobei dieses Geld von den Rumänen wieder für deutsche Produkte, die von Deutschen hergestellt werden, ausgeben. So ist jedenfalls die Natur von internationalen Gütertauschbeziehungen, für deren Erkenntnis man allerdings etwas mehr Geduld als diese oberflächliche Betroffenheitslogik braucht. Aber es ist nie zu spät für einen VWL-Grundkurs.

  7. Stephan sagt:

    Steffen, da hast du wohl recht.

    Solange die Welt nicht auf auf deutschem Standard lebt, funktioniert das mit dem Export ganz gut. Nur wie lange soll das noch so weitergehen?

    Irgendwann ist ja mal genug, oder nicht?

    Theoretisch könnte Nokia ja auch in beiden Ländern die Teile aus Fernost zusammenstecken lassen. Was spricht dagegen?

    Und warum sind 10% Gewinn nicht genug?

  8. SteffenH sagt:

    Warum 10% nicht genug sind? Wie schon gesagt, wenn wir die Handys weiter in Deutschland fertigen lassen, dann sind das keine 10%Gewinn, sondern ein Verlust von 30000€ pro Arbeitsplatz. Echte Gewinne entstehen nur dann, wenn man die jeweiligen Erträge verschiedener Produktionsalternativen miteinander vergleicht und von diesen die Alternative mit dem höchsten Ertrag wählt, wobei dann der Gewinn eben nur so hoch wie die Differenz aus beiden Alternativen ist. Man kann sich das ganz einfach dadurch klar machen, dass man sich bewusst macht, dass jeder Produktionsfaktor nur einmal eingesetzt werden kann und die Verwendung für einen Bereich die alternative Verwendung und damit ihren Nutzen in einem anderen Bereich verhindert. Also muss man diesen Verzicht vom Ertrag der letztendlichen Verwendung des Produktionsfaktors gedanklich abziehen. Versuche dir das beim nächsten Gang in den Supermarkt mal vorzustellen.

    Die Frage ist daher, wie werden diese in der Öffentlichkeit immer wieder breitgetretenen Renditen von zehn Prozent und mehr berechnet und womit werden sie verglichen. Eine Rendite über dem Zinsatz eines Sparbuchs wird schließlich auch für eine Investition mit wesentlich höherem Risiko gezahlt. Wäre es nicht so, würde kein Anleger dieses Risiko eingehen und es stünde kein Kapital für derartige Investitionen zur Verfügung. Man kann jetzt fragen, ob wir Investitionen in so riskante Projekte wie Mobiltelefonie oder ähnliche HighTech-Bereiche brauchen, man kann aber nicht in Zweifel stellen, dass diese Investitionen aufgrund der unklaren Konsumentenpräferenzen und der hohen Wettbewerbsintensität relativ riskant sind und daher den Investor entschädigen müssen. Ich kann also nicht den Zinssatz für irgendeine defensive Anlage hernehmen und dann sagen, dass wesentlich höhere, aber mit höheren Ausfallrisiken versehene Investitionen einen zu hohen Gewinn abwerfen. Da vergleicht man Äpfel mit Birnen.

    Schließlich stellt sich die Frage, was das Problem an einer hohen Rendite ist. Sie ist letztlich ein Ausdruck dafür, dass es sich gelohnt hat, ein hohes Risiko einzugehen, um ein nützliches Produkt herzustellen, was die Leute ja schließlich freiwillig kaufen. Mir ist die Marktkritik irgendwie zu konfus und völlig ohne Bodenhaftung. In jedem guten Einsteiger VWL-Lehrbuch kann man nachlesen, dass hohe Gewinne nur dann ein Problem sind, wenn sie Ergebnis von Wirtschaftsweisen sind, bei denen die Profiteure nicht alle Kosten ihrer Produktion tragen, also das klassische Externalitätenproblem. Das aber kann man nicht einfach aus der Höhe der Renditen ableiten. Im Fall Nokia liegt bestenfalls ein Problem der Kompensation von Verlierern ökonomischer Wandlungsprozesse vor, wobei auch dessen Richtung nicht eindeutig ist. Hat jemals jemand darüber nachgedacht, dass man bei einer „Rettung“ der Arbeitsplätze in Bochum den rumänischen Arbeitern den Verlust von Optionen entschädigen müsste? Der Wechsel von Bochum nach Rumänien ist also ökonomisch zu begrüßen und wäre sehr leicht durch Kompensationen zu entschädigen. Selbst wenn man jedem Bochumer Nokia-Beschäftigtem pro Arbeiter bis zu 29999 € pro Jahr einfach so geben würde lohnte sich der Umzug noch.

    Hierbei muss man jedoch berücksichtigen: Die Bochumer hatten Arbeitsverträge, in denen ganz klare Kündigungsschutzregeln enthalten waren, die auch eingehalten wurden. Beide Seiten waren sich also bei Vertragsabschluss bewusst, worauf sie sich einlassen. Verträge sind aber etwas völlig normales im Wirtschaftsleben und sie sollten nicht beliebig, nach persönlichen Befindlichkeiten ausgelegt werden, weil sie sonst ihre Verbindlichkeit verlieren und keine verlässliche Basis für wirtschaftliche Transaktionen bilden. Ich kann auch meinen Fernseher nach Ablauf der Garantiezeit nicht einfach zurückschicken und einen Mangel reklamieren, weil ich keine Lust habe die Kosten für einen Neukauf auf mich zu nehmen.

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