Erster Eindruck von der Bürgerbeteiligung zu Hochwassermaßnahmen in Dresden Laubegast

Heute abend um 19 Uhr fanden sich mehr als 200 interessierte Bürger im Volkshaus Laubegast in Dresden ein. Die Stadt Dresden lud zur Auftaktveranstaltung der Bürgerbeteiligung im Zuge der Planungen von Hochwasserschutzmaßnahmen ein.

Positiv überraschte mich die Methode, um die Besucher zu zählen und ihre Wohnorte festzustellen. Klebepunkte und ein Stadtplan produzieren folgendes:

Der Saal im Volkshaus war übervoll und der zuständige Ortsamtsleiter begrüßte die Gäste.

Als nächstes führte Frau Prof. Reuther vom Büro für urbane Projekte in den Abend ein und stellt das Problem dar (Hochwasserschutzmaßnahmen in Dresden Laubegast) . Insgesamt zeigt sie viele bunte Bilder und redet eine Stunde lang. Die Details blogge ich später/morgen (live blogging ging nicht, kein Internet dort).

Nach gut einer halben Stunde verwies sie auf www.dresden.de/hochwasser und ein Arbeitsbuch (ab 26.11.2010), wo alle diese Grafiken auch noch mal enthalten sind. Im Moment ist bis auf die Einladung zur Auftaktveranstaltung noch nix dort zu finden.

Ich wurde ungeduldig, da ich wissen wollte, wie die Beteiligung denn nun funktionieren soll.

Als nächstes sprachen die beteiligte Stadtplanerin, ein Herr vom Umweltamt der Stadt und Herr Bielitz von der Landestalsperrenverwaltung. Es wurde 20 Uhr und noch immer keine neuen Informationen, wie denn die Beteiligung funktionieren soll.

Nun kommen die Bürger zu Wort. Ich fasse mal zusammen:

  • Misstrauen gegenüber der Stadt
  • Ergebnisoffenheit der Beteiligung wird in Frage gestellt
  • Rechtssicherheit der Beteiligung wird verlangt
  • Wie soll Beteiligung konkret funktionieren?
  • Transparenz und Einbeziehung gefordert
  • Schönheit und Charakter von Laubegast dürfen nicht verloren gehen
  • Freude und Skepsis gegenüber der Beteiligung

Es ist nun 20.45 Uhr und noch immer weiss niemand, wie sich das externe Büro die Beteiligung vorsieht. Nun spricht endlich Frau Reuther dazu. Ich fasse zusammen:

  • 25.11.2010 – 1. Forum Auftakt
  • Meinungsbild der Laubegaster wird erstellt zwischen Dezember 2010 und Januar 2011. Geplant sind Befragungen, eine E-Mail-Adresse und eine Postanschrift. Keine qualifizierte Umfrage, nichts dergleichen.
  • 10.02.2011 – 2. Forum – Vorstellunge des Meinungsbildes im Volkshaus Laubegast
  • Es folgt eine offene Bürgerwerkstatt am 4. und 5. März 2011 in der 64. Mittelschule.
  • 24.03.2011 – 3. Forum – Vorstellung des Werkstattberichtes im Volkshaus
  • Qualifizierte Zusammenarbeit zur Erstellung einer Vorlage/Schlussfolgerung aus der Bürgerbeteiligung von April bis Mai 2011.
  • 05.05.2011 – 4. Forum im Volkshaus, Ergebnisse und Präsentationen.

Alle sind müde, die Luft stickig. Der Ortsamtsleiter bedankt sich, ich mache obiges Foto und gehe nach Hause.

Fazit

Die Bürger sind an der Prozessgestaltung nicht beteiligt. Der Zeitrahmen wird wieder nicht vom Bürger zusammen mit der Verwaltung festgelegt, sondern ist scheinbar schon relativ starr vorgegeben. Der Abend ließ gar keine Diskussion über den Prozess zu!

Ich behaupte sogar, dass der Abend extra so geplant wurde, dass die Bürger über den Prozess der Beteiligung gar nicht mehr debattieren konnten. Vollendete Tatsachen wurden kurz vor Veranstaltungsende präsentiert. Die Prozessgestaltung hätte in den ersten 20 Minuten vorgestellt werden sollen und danach hätte man sich darüber unterhalten können, um auch die Bedürfnisse der Bürger für die Beteiligung aushandeln zu können. Fail #1

Wenn ich den Zeitplan so ansehe, dann ist der sehr eng gesteckt. Das ist machbar, aber bei mindestens 12 000 mehr oder weniger Betroffenen ganz schön eng. Ich wünschte mir eine gewisse Offenheit im Findungsprozess über den zeitlichen Ablauf. Fail #2

Wie die Meinungsbildung der Laubegaster passieren soll/bzw deren Meinungsbild aufgenommen werden soll, wurde gar nicht qualifiziert dargestellt. Letzlich stehen gerade 2 Monate fest, in denen ohne Methodik mehrere hundert Menschen ihren Senf zum Thema dazugeben sollen. Da sind keine Diskussionen oder regelmässige Faktenaustausche geplant nichts. Einfach eine E-Mail-Adresse (leben-mit-dem-fluss@dresden.de) und ne Postadresse sollen reichen. Sowie die Kontaktdaten derer, die sich beim Verlassen der Veranstaltung eingetagen haben. Die Phase wird chaotisch, ich denke die Bürger müssen sich da ganz schnell selber finden und ihre Netzwerke in Fahrt bringen, sonst gibt es keine sinnvolle Rückmeldung bis zum Februar 2011. Fail #3

Die am Abend vorgestellten Folien sind nach Veranstaltungsende nicht im WWW zu finden. Die Veranstaltung wurde von Veranstalterseite auch nicht weiter dokumentiert, bzw. wurde keine Dokumentation angekündigt. Ich hab live mitgeschrieben, das veröffentliche ich zeitnah. Das muss viel besser werden. Fail #4

So..ich bin jetzt hundemüde. Alles in allem muss das Niveau der Bürgerbeteiligung besser werden. Wenn der Beteiligungprozess so stattfindet, wie vorgeschlagen, kommen meiner Meinung nach die Bürger nicht genug zu Wort. Über Verbesserungsmöglichkeiten schreibe ich hier auch noch.

PS: Fail = Fehler.

PPS: Das Schlagwort dieses Thema hier im Blog weiter zu verfolgen lautet: Leben mit dem Fluss

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322 Antworten zu Erster Eindruck von der Bürgerbeteiligung zu Hochwassermaßnahmen in Dresden Laubegast

  1. Danke für die ausführliche Darstellung. Sie entspricht auch meinem Eindruck – und wahrscheinlich dem der meisten Anwesenden. Die Glaubwürdigkeit solcher Art von „Bürgerbeteiligung“ ist genauso fraglich wie die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Stadt.

  2. Johannes Lichdi sagt:

    Danke für den schnellen Kommentar – Vollkommen richtig dargestellt (ich war auch da) – Ergänzung: hier findet kein Bürgerbeteiligungsprozess statt, sondern eine etwas sensiblere Frontunterrichtbespassung von „Experten“. Der Prozess hätte mit den erkennbaren Interessengruppen vorgeplant werden müssen (Mauergegnern, Viterra-Siedlern, etc etc). Wie kann im Prozess weitere Untersuchungen veranlasst werden? – Wie soll ein Ergebnis festgestellt werden? – Wie soll das in der Entscheidung des Stadtrats beachtet werden? – Ich weiß nicht ob das böser Wille ist oder vielmehr jahrzehntelang eingeübte Berufsunsensibilität von Verwaltungsleuten und Planern. – Aber: einmischen und bessere Vorschläge machen dringend nötig!

  3. Anita Köhler sagt:

    Vielen Dank für die schnelle und umfassende Information. Wir Stadträte konnten ja nicht teilnehmen, umso neugieriger war ich auf diese Schilderung um mir ein Bild machen zu können. Nun heißt es aufpassen, dass die Beteiligung nicht zur Scheindemokratie wird. Beachten muss man aber auch, dass es mit Sicherheit in Laubegast sehr unterschiedliche Interessenlagen gibt. Ergebnis muss ein sinnvoller (ökologisch, ökonomisch, sozialer…) Kompromiss sein. Ohne Verlierer und ohne Diktat.

  4. Bernd Fricke sagt:

    Trotz großen Respekts vor der engagierten und umsichtigen Moderatorin-Leistung bleibt das Ergebnis der Auftaktveranstaltung hinter Erwartungen weit zurück. Über ein Abklopfen der Stimmungslage ist Greifbares bisher nicht erkennbar. Für ein Schulterklopfen, weil mit Bürgern endlich Gespräche aufgenommen werden, gibt es keinen Anlass. Ein offener Verwaltung- / Fachleute- /Bürgerdialog kann nichts Besonderes, sondern nur Selbstverständlichkeit sein. Je schwieriger das Thema, je größer die Betroffenheit der Bürger und je nachhaltiger zu treffende Entscheidungen, desto intensiver der gebotene Gedankenaustausch!

    Angesichts des engen terminkorsetts für angestrebte Meinungsbildungen, geht vieles zu träge. Die Geschäftsordnung ist unklar, wichtige Organisationsstrukturen unausgewogen und lückenhaft. Einige Beispiele:

    Zu den Gremien:

    Die Steuerungsgruppe ist einseitig besetzt, deren Aufgaben sind für Außenstehende nicht durchschaubar.

    Die Entscheidungsgruppe (das sind die Stadträte) ist bei der wichtigen Auftaktveranstaltung mit keiner Person vertreten. Ein Meinungsbild der Stimmungslage unmöglich.

    Eine Umsetzungs- und Überwachungsgruppe wurde gar nicht angedacht. Wenn doch, sind Betroffene nicht eingebunden.

    Zu Fakten und Dokumentationen:

    Das Arbeitsbuch soll vorgegebene Grundlage für den Beteiligungsprozess sein. Warum laf es zur Eröffnungsveranstaltung in der Ausgangsversion gedruckt zur Mitnahme nicht aus? Warum muss sich jeder Interessierte mit Druckertinteneinsatz selber quälen oder das Papier umständlich bestellen?

    Eine Auswertung zur Auftaktveranstaltung ist zwei Tage später immer noch nicht verfügbar. Das angekündigte Diskussionsforum im Internet fehlt. Wenn es ein einzelner Betroffener innerhalb weniger Stunden schafft, ein Stimmungsbild zu zeichnen und Grundlagen für einen Blog zu schaffen, müsste es einem organisierten Gremium mit der selben Schnelligkeit gelingen, Fakten zu sortieren und transparent offen zu legen.

    Quellenangaben sind nur in Listenform notiert. Links zur Einsichtnahme fehlen. Grundfrage: Soll Bürgerengagement behindert oder mit Organisationshilfen befördert werden?

    Zur Entscheidungslage:

    Unisono wird behauptet, die Partizipation soll ergebnisoffen sein. Nichts desto trotz sieht die Beschlusslage anders aus. Selbst der aktuelle Stadtratsbeschluss zur Öffentlichkeitsbeteiligung und Kooperationsvereinbarung hat die Maßnahme „Z1 gemäß Anlage 1“ zur Grundlage. Dort ist ausschließlich von einer Hochwasserschutzmauer die Rede. Allenfalls im oberen Teil mit mobilen Elementen. Nachzulesen auf Seite 25 des Arbeitsbuches.

    Die Diskrepanz zwischen Reden und Beschliessen ist nicht ausgeräumt. Sie verunsichert. Und das wäre bei offener Kommunikation unnötig.

    Allen Betroffenen ist dringend zu empfehlen, hellwach zu sein und sich in den Meinungsbildungsprozess aktiv einzubringen. Damit es zu keinen Zufallsentscheidungen kommt mit Auswirkungen für nächste Generationen.

  5. Pingback: Unklarheiten und Merkwürdigkeiten zur Bürgerbeteiligung bei Hochwasserschutzplanung in Dresden Laubegast | Umgebungsgedanken

  6. Muyserin sagt:

    Hallo Stephan,

    ich habe mich gefreut zu sehen, dass die Sendepause auf Deinem Blog ein Ende hat. Und dann kommst Du gleich mit einem so interessanten, kritischen Beitrag! Deine Streilust finde ich gut. Selbst wenn ich nicht in Laubegast wohne: die Elbe sollte alle Dresdner etwas angehen, ebenso die Art, wie die Stadtverwaltung Bürgernähe und Mitbestimmung suggeriert und dabei noch vieles zu lernen hat. Denn irgendwann betrifft es uns alle.

    Bleib bitte dran!

  7. Zunächst vielen Dank für die Informationen zur Auftaktforum. Die beschriebenen Probleme hinterlassen auch bei mir einige Fragen, wurde uns doch von der Stadtverwaltung eindeutig angekündigt, dass auf der Auftaktveranstaltung zwischen Moderation und Beteiligten ein Verfahren VEREINBART wird. Der Bericht klingt anders.
    Positiv stimmt mich die Zahl der anwesenden BürgerInnen. Das zeigt: die Befürworter im Stadtrat für eine Bürgerbeteiligung in Sachen Hochwasserschutz hatten absolut recht mit ihrer Forderung. Es gibt ein hohes Bedürfnis, bei so einschneidenden Maßnahmen mitzureden. Ich hoffe, dass wir die Konservativen und Liberalen vom Nutzen einer (wirklichen) Bürgerbeteiligung noch überzeugen können. (Die Hoffnung stirbt zuletzt)
    Aber wir stehen immer noch am Anfang des Prozesses. Die zusätzlich aufgeworfenen Fragen werden von der Stadtverwaltung zu beantworten sein. Wir Stadträte können und werden mit Hilfe schriftlicher Anfragen versuchen, das aufzuklären. Sie, als Beteiligte und BürgerInnen, können ihrerseits diese offenen Fragen sowohl an die Stadtverwaltung als auch an die Moderation schicken.
    Ich hoffe sehr, dass der Sitzungsplan des kommenden Jahres eine Teilnahme meinerseits an den kommenden Veranstaltungen ermöglichen wird.

    Bis dahin herzliche Grüße

    Albrecht Pallas
    (SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat, umweltpolitischer Sprecher)

  8. Probst , Helmut sagt:

    Ich freue mich über die Übereinstimmung mit der von mir getroffenen Einschätzung zum Inhalt und den Ergebnissen. Anbei meine Meinung: Kurzinformation
    Die gestrige Veranstaltung ist ein Erfolg, Saal brechend voll, erwartungsvolle Stimmung. Teilnehmer aus anderen Stadtteilen lobten und gratulierten zu dieser Art der Bürgerbeteiligung bei der Lösung wichtiger Problem der Menschen. Die Moderierung war interessant, ansprechend und wurde dem Anliegen voll gerecht. Ein Lob der Organisation. Zum Inhalt der Diskussion: Die Position der Bürgerinitiative kann als Kern der Meinung der überwiegenden Mehrheit eingeschätzt werden. Teils leidenschaftlich wurde das Problem :Leben mit dem Fluss als immanenter Bestandteil des Welterbes Elbtal bezeichnet. Typisch für die allgemeine Erwartungshaltung könnte gelten: Das Problem wirklich von vorn anfangen, ohne die Mauer im Hinterkopf. Das ging besonders an die Adresse des Umweltamtes, dessen Vertreter Unmut im Saal mit der Aussage provozierte, den Bau einer Mauer hätte niemand geplant. Bei allem Optimismus, der insgesamt spürbar war, das Misstrauen gegenüber den Planungen der Stadt blieb. Verlangt wurde z.B. klare gesetzliche Grundlagen für den weiteren Verlauf zu sichern, damit nicht wieder heute das besprochen und morgen etwa ganz anderes gemacht wird. Diese bisherigen Praktiken hatten die Menschen besonders aufgebracht und sie in Frontstellung gegenüber staatlichen Instanzen gebracht. Es wird sehr wichtig sein, diesen Prozess weiterhin auch politisch zu begleiten, damit dieses Misstrauen überwunden wird. Die Menschen sind zu einer solchen ehrichen Zusammenarbeit bereit. An der staatlichen Seite wird es liegen, ob es zu einer solchen vertrauensvollen Zusammenarbeit kommen wird.

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