Podiumsdiskussion über Korruption

Gestern abend fand im Forum am Altmarkt eine Veranstaltung mit dem Titel „Ihr seid doch alle korrupt!“ – Wie können Politik und Wirtschaft Vertrauen zurückgewinnen? statt.

Die Teilnehmer waren:

  • Dr. Peter Fries
    erweiterter Führungskreis von Transparency International (TI)
  • Dr. Peter Lames
    SPD-Fraktionschef und OB-Kandidat in Dresden
  • Hans-Joachim Kloppe
    Fachbereichsleiter Rechnungsprüfung Halle
  • Klaus Dittrich
    ehrenamtlicher Präsident der Handwerkskammer Dresden, Diplom-Betriebswirt, Leitet Dachdeckerfirma

Podiumsdiskussion über Korruption
Ich war dort und habe den Ton der Veranstaltung mitgeschnitten. Leider ist die Qualität nicht sehr gut. Im Folgenden habe ich mal eine grobe Inhaltsangabe zum Teil 1 gemacht. Weiter unten kommt Teil 2. Zum Abschluß gebe ich noch meine Meinung preis. 😉 Zum Hören der Audiomitschnitte empfehle ich Kopfhörer zu nutzen. Zwischen den beiden Teilen fehlt ein kurzer Teil.

Zeitlinie Teil 1

[audio:http://momocat.podspot.de/files/korruption_1.mp3]

bis 00:05:55
Vorstellung und Einführung

ab 00:05:55
Peter Fries über TI, Bestechungsgelder bis 1999 steuerlich absetzbar, Korruptionswahrnehmungsindex 2007

ab 00:14:30
H.-J. Kloppe über die Mitgliedschaft der Stadt Halle bei TI, Grund, Druck durch Korruptionsfälle, Ombutsmann, Intrigation, whistle blower, Zuhören bei Korruptionsverdacht

ab 00:19:00
Peter Lames, 2 Bestechungsversuche im Dresdner Stadtrat (Parteispende gegen pol. Entscheidung), wünscht sich einen Vertrauensmann wie in Halle

ab 00:24:00
Klaus Dittrich über Erfahrungen mit Korruption

ab 00:27:20
Diskussion über die Grenze, ab der Gefälligkeiten zur Bestechung werden, das Thema schlägt immer wieder durch
Fries: „Deutschland unterscheidet sich von einer Bananenrepublik nur noch durch das Klima.“ Kleine Unternehmen sind in der Regel sauber, eher Korruption im großen Stil (Siemens)

ab 00:32:00
Kloppe: Erfahrungen in Halle, Dienstanweisung, Geschenke an Bedienstete erlaubt, aber immer unter 4 Augen -> Transparenz
Lames: Erfahrungen mit Investoren, Ehrenkodex im Stadtrat
Dittrich: Keine Korruption auf unterer Ebene (Vergabestellen)

ab 00:38:30
TI Regionalgruppe Sachsen, frisch gegründet, kämpft für Informationsfreiheitsgesetz,
Lames: ja zu Informationsfreiheitsgesetz

ab 00:47:00
Lames: SPD und Grüne für Ehrenkodex im Stadtrat, sonst hat keine Fraktion geschlossen dafür gestimmt. Notwendigkeit für Transparenz ist noch nicht erkannt.

ab 00:49:50
Diskussion mit dem Podium.

Teil 2

[audio:http://momocat.podspot.de/files/korruption_2.mp3]
  • Fries: Whistle Blower werden in Deutschland nicht geschützt. Das Gesetz gibt das nicht her.
  • SPD ist nicht zum Essen des WOBA-Käufers gegangen.
  • Hinweisgebersysteme können funktionieren.
  • Transparenz von Parteispenden
  • Fries: Karenzfrist für Drehtüreffekt zwischen Politik und Wirtschaft, Hingeberschutz in D nicht gut (Minute 21), TI schlägt 5 Jahre vor. 5 Jahre Verjährungsfrist reicht den überlasteten Staatsanwaltschaften nicht
  • Dittrich: Korruption früher (DDR) und heute, plädiert für soziale Marktwirtschaft, verteufelt Konzentration in der Wirtschaft als Korruption, Bestechung ist bei Monopolen nicht mehr nötig, die machen die Preise gleich selber. Transparenz und Regelwerk nötig.
  • Fries: Wertediskussion, Deutsche betreiben Steuerbetrug als Volkssport. Woher kommen Werte? Gag am Rande: „Bei Deutschen ist der Steuerspartrieb stärker ausgeprägt als der Sexualtrieb.“
  • Lames: Parteispenden ab 10 000 € im Rechenschaftsbericht der Partei
  • Umsetzung internationaler Konventionen in deutsches Recht schleift, der Überwachungsaufwand ist zu groß. Deutschland führt keine umfassende Bestimmung ein, die Korruption konkret bezeichnet. Bestechung von Abgeordneten ist nicht straffähig.
  • Unternehmensstrafrecht, in D können nur Personen Schuld haben, keine Unternehmen. Problem im Strafrecht.

Mein Eindruck zur Veranstaltung und zum Thema

In Deutschland ist Korruption alltäglich. Das findet kaum im täglichen Klein-klein statt, sondern in den Netzwerken, besonders in den gehobenen Positionen. Man denke nur an die Rotation von Ministern in die Wirtschaft und andersherum. Mein Vertrauen in die Politik ist jedenfalls nicht sehr groß, weil:

  • Lobbyisten in den Ministerien sitzen,
  • einige Parlamentarier ihre Einkünfte nicht lückenlos auflegen,
  • einige Parlamentarier nicht den Eindruck erwecken, sich vorrang fürs Volk einzusetzen, sondern ihre Vorstandsmandate pflegen,
  • politische Prozesse für den Laien von außen fast nicht verständlich und zugänglich sind.

Außerdem fehlen Transparenz und Vorbilder. Wenn Zumwinckel Millionen verschiebt, dann nimmt sich der Bürger das zum Vorbild. Wo soll da das Vertrauen herkommen? Leider wurde nicht angesprochen, inwiefern Handlungdilemmata eine Rolle in der Korruption spielen. Vielleicht kann die Spieltheorie ja Ansätze für die Korruptionsbekämpfung liefern. Über Vertrauen in die Wirtschaft muss man nicht reden, da die noch nicht mal Lebenmittel ordentlich auszeichnet. Aber da hat man zum Glück Alternativen, im Gegensatz zur Politik.

Die Politikverdrossenheit der Deutschen hat auf jeden Fall ihre Gründe. Korruption und mangelnde Transparenz sind nur zwei. Sehr erstaunt hat mich, dass bei uns die „Transparenz“-Bewegung so jung ist. Während in Schweden seit 1766 öffentliche Dokumente gedruckt werden dürfen, gibt es in Sachsen noch nicht mal ein Informationsfreiheitsgesetz.
Zur Tonaufzeichnung

Leider hat der Veranstalter (Friedrich-Ebert-Stifung) nicht daran gedacht, den Ton aufzeichnen zu lassen. Deshalb kann ich nur meinen schlechten Ton anbieten. Warum das so ist, konnte man mir nicht sagen. Aber es ist eben so, dass Veranstaltungen bei uns viel zu selten dokumentiert werden. Selbst wenn es eine super Saaltechnik gibt, wird diese nicht genutzt. Dazu muss ich nochmal was schreiben.

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2 Antworten zu Podiumsdiskussion über Korruption

  1. Pingback: netzpolitik.org: » Nachrichtenübebrlick vom 20.2.2008 » Aktuelle Berichterstattung rund um die politischen Themen der Informationsgesellschaft.

  2. Zwangsmitglied der Handwerkskammer Dresden sagt:

    Herr Dittrich kann gut reden, er ist Präsident eines Vereins in den man als Selbständiger eingetreten wird – ohne Gegenleistung – wer die Beiträge nicht zahlt wird vom Gerichtvollzieher (ohne Gerichtsurteil) besucht und wird mit Haft bedroht.
    Das Wort Tranzparenz sollte man nur in den Mund nehmen wenn selber bei sich tranzparenz walten lässt. Die Beiträge legt die Kammer selbst willkülich fest.

    Was soll auch von einem Verein der zu Nazis Zeiten anderes erwartet werden.

    Dittrich: Korruption früher (DDR) und heute, plädiert für soziale Marktwirtschaft, verteufelt Konzentration in der Wirtschaft als Korruption, Bestechung ist bei Monopolen nicht mehr nötig, die machen die Preise gleich selber. Transparenz und Regelwerk nötig.

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